In den letzten Wochen habe ich viele Tage erlebt, die mir noch gern und lang in Erinnerung bleiben werden. Heute zählt definitiv dazu, denn nachdem ich letzte Woche krank war, hatte ich heute das Glück, an einem supertollen Shooting von Arbeit aus teilnehmen zu können, was bedeutet, dass wir den ganzen Tag durch die Sonne und Parks in Frankfurt gewandert sind, Eis gegessen und Krokusse bewundert haben. Meine Haut riecht noch immer nach Sonne. Im T-Shirt über die Wiesen zu laufen hat nach den Tagen im Bett richtig gut getan. Als ich unter der Dusche stand, dachte ich noch, dass heute einer der schönsten Arbeitstage war, die ich je hatte.
Jetzt sitze ich im Bett und kann trotz körperlicher Erschöpfung nicht schlafen, weil mein Herz so schnell schlägt und mir heiß und kalt abwechselnd ist. Plötzlich habe ich wieder dieses Gefühl, das mich immer ereilt, wenn ich gerade - wenn auch nur kurz - an nichts anderes denke, Das Gefühl, dass ich keine Ahnung habe, wohin mit mir. Das Gefühl, nichts zu können, obwohl alles ganz okay läuft. Das Gefühl, dass ich Tag für Tag mehr unter mir selbst begraben werde und trotz Denken und Probieren und Reden nicht weiß, was ich dagegen tun kann.
Ich tue so vieles zurzeit. Ich tue so viel, dass ich oft nur 3 bis 4 Stunden in der Nacht schlafe und das auch nur, weil ich müde neben dem Laptop einschlafe. Freiwillig schlafen zu gehen fühlt sich inzwischen falsch an. Es fühlt sich wie aufgeben an, wenn ich eigentlich auch wach bleiben und schreiben oder planen oder kommunizieren könnte. Nicht mal mehr am Wochenende erlaube ich es mir, morgens keinen Wecker zu stellen, egal wie lange ich am Vortag wach war. Müde bin ich tagsüber eigentlich auch nicht; jede Menge Kaffee und jede Menge Konzentration und Stress tragen schon ihren Teil dazu bei, dass ich in kein Tief falle.
Ich kann also nicht behaupten, nicht produktiv zu sein. Im Gegenteil. Wenn man Leben einen Titel hätte, würde er vermutlich Produktivität lauten.
Aber so viel ich auch tue, ich bekomme - je mehr ich tue und von Tag zu Tag - immer mehr das Gefühl, nichts davon zu können. Ich habe nicht das Gefühl, erfolgreich zu sein. Ich kann einen Arbeitstag abschließen, aber das bedeutet nicht, dass alles abgearbeitet wäre. Ich gehe nach Hause, weil ich schreiben will, nicht, weil ich fertig bin. Ich kann ebenfalls einen Abschnitt meines Romans abschließen, ein Kapitel oder einen ganzen Roman. Aber das bedeutet nicht, dass es abgearbeitet wäre. Neben Planungs- und Überarbeitungsaufgaben stehen schon so viele andere Projekte an, dass ich inzwischen sogar aufgehört habe, sie zu zählen.
Ja, das ist viel. Und ja, das ist viel zu tun. Aber mich beschleicht immer deutlicher das Gefühl, dass es nicht die Masse an Dingen ist, die mich erdrückt (oder dass ich nur einen so kleinen Bruchteil von ihnen bewältigen kann), sondern das Gefühl, nichts davon richtig zu können.
Ich bin kein richtiger Autor. Ich nenne mich zwar gern so, aber sein wir ehrlich: Wenn man über die Straße geht und jemandem nach meinem Namen fragt, dann wird ihn niemand kennen. Das wird sich auch in 5 oder 10 oder 100 Jahren nicht geändert haben. Ich liebe die Leser, die ich habe, aber die Situationen, Personen anzutreffen, die meine Texte mögen oder schätzen, erscheinen mir inzwischen eher als Glückstreffer. So sehr, dass ich mich frage, ob dieses ganze Kommunikationsgerüst, das ich pflege (sämtliche sozialen Netzwerke, die man sich vorstellen kann) überhaupt irgendeinen Sinn hat, oder ob ich nicht glücklicher wäre, wenn ich einfach alles abschalte und in Zukunft nur wieder ganz für mich allein scheibe.
Wenn jemand mein Buch gut findet, dann fühlt sich das wie Erfolg an, aber nicht wie Können. Meinen Erfolg in diesen Fällen werte ich eher als Nadel, die mir zufällig aus dem Heuhaufen entgegensprang. Darüber kann man sich freuen, aber damit, eine gute Arbeit geleitet zu haben, hat es nichts zu tun.
Auf Arbeit ist es ähnlich. Ich liebe meinen Job und ich liebe meine Kollegen. Ich kann auch nicht abstreiten, dass ich viel, viel sicherer in dem bin, was ich tue, als zu Anfangszeiten (wäre auch schlimm, wenn nicht). Aber es fühlt sich nicht wie Können an. Wenn Freunde von mir davon erzählen, dass sie keinen Job haben, fühle ich mich oft sogar schlecht, weil ich denke, dass sie einen Job wahrscheinlich viel eher verdient hätten als ich.
Es gibt niemanden aus meinem engeren Bekannten- und Freundeskreis, vor dem ich nicht schon versucht hätte, dieses Problem anzuschneiden. Bzw. diese Probleme? Sind es mehrere? Ich weiß es nicht. Leider habe ich aber schon so oft dieselbe Antwort dazu bekommen, dass ich mich gar nicht mehr traue, etwas zu sagen. Oder die Energie nicht mehr aufwenden möchte, weil es sowieso nur auf dasselbe hinausläuft.
Freunde sagen: "Nimm das doch mit dem Schreiben nicht ganz so ernst." Leider ist das ein Hobby, das man verdammt ernst nehmen muss, wenn man es betreiben möchte. Und ja, leider ist das schreiben auch mein Leben. Es ist mein Ausgleich, mein Ruhepol, mein Adrenalinschub. Meine Quelle. Wenn ich mehrere Tage nicht schreibe, merke ich, dass ich ein unangenehmer und unausgeglichener Mensch werde. Auf das Schreiben zu verzichten ist, wie auf Essen zu verzichten. Sicher kann man eine Weile ohne überleben ... aber je länger man das tut, um so mehr stirbt man.
Gleichsam möchte ich kein Leben führen, das nur von Arbeit bestimmt ist. Ich liebe meine Arbeit, aber Aufstehen, Arbeiten, ins Bett gehen, Schlafen, ist kein Leben für mich. Selbst wenn sicher noch viele Treffen mit Freunden, Events und anderes hinzukommt. Ich möchte kein Leben ohne das Schreiben führen. Nein.
Andere sagen: "Nimm das doch mit der Arbeit nicht ganz so ernst." Aber ich liebe meine Arbeit und meine Kollegen sind meine zweite Familie. Mein Beruf ist an einigen Tagen (wie heute) definitiv der coolste Job der Welt und ich möchte ihn nicht missen oder vernachlässigen. Auf keinen Fall.
Andere sagen: "Nimm dir doch einfach mal mehr Zeit für dich." Aber wann? Gute Frage. Entspannen geht nicht auf Knopfdruck. Wochenende ist oft voll mit Haushalt, Freunden, Serien, Spaziergängen, Familie und Co. Und klar, ich nehme auch öfter mal ein Bad, trinke einen Wein und lese. Und ich liege auch mal einen Tag lang nur im Bett und schaue Serien, aber das löst das Grundproblem nicht. Abgesehen davon, dass ich in jeder faulen Minute auch Sinnvolles tun könnte (und mich schlecht dafür fühle), gleicht ein Tag Entspannung nicht die Aussicht auf ein ziellos stressiges Leben aus.
Sind wir also wieder beim Können. Entspannen. Nicht mal das kann ich.
Wohin will ich überhaupt mit meinem Leben? Und warum geht es mir so schlecht, obwohl niemand versteht, wie das sein kann? Wer wünsche ich mir zu sein und: Werde ich überhaupt jemals mit etwas zufrieden sein, was ich schaffe oder was ich bin? Eine Zeit lange dachte ich, auf einem guten Weg dorthin zu sein, aber ich strafe mich selbst immer wieder Lügen.
Und so verlasse ich jeden Tag mit dem Gefühl, keinen Platz in meinem Leben zu haben. Nichts zu haben, das ich als ehrlichen Erfolg feiern konnte, obwohl ich so viel dafür tue, dass ich kurz davor bin, an mir selbst zu scheitern. Ich verlasse ich jeden Tag mit dem Gefühl, nicht genug zu tun und vor allem, nichts zu können. Nichts zu sein.
In diesem Sinne: Gute Nacht.