Die Zeit vergeht zu schnell und zu langsam. Gleichzeitig. Und jetzt gerade bin ich hier und habe keine Ahnung, wann und wie ich an diesen Punkt gelangt bin. An diesen Punkt, wo auch immer er sein mag.
Ich zweifle. Wer meinen Blog kennt und ältere Einträge von mir gelesen hat, weiß, dass ich oft zweifle. Gern und vor allem an mir selbst und an allem, was ich erschaffe und was ich bin. An einigen Tagen ist es gut, an anderen sehr gut - und an wieder anderen schlecht. Und jedes Mal ist es irgendwie anders, aber ich spüre dennoch oft, wenn Besserung in Sicht ist.
Dieses Mal ist es anders. Ich habe mich in eine Ecke manövriert, aus der ich nicht mehr herauskomme und in der ich, je länger ich darüber nachdenke, immer tiefer versinke. Abstand von Problemen und Niederschlägen tut für gewöhnlich gut - vor allem, wenn man es schon kommen sah. Aber das hier ist anders. Das hier ist umfassender und weitet sich mit jedem Mal aus, wenn ich darüber nachdenke. Und gar nicht darüber nachdenken geht nicht.
Ich hätte Kernstaub nie veröffentlichen sollen. Das ist ein Gedanke, den ich - seitdem ich es getan habe - schon einige Male hatte, aber nie in der Intensität, in der er sich mir jetzt aufdrängt. Ich möchte damit niemanden vor den Kopf stoßen. Vor allem nicht meinen lieben und treuen Lesern, die mich die ganze Zeit über so lieb begleitet und unterstützt haben. Ich hoffe, ihr habt Verständnis für meine Gedanken und fühlt euch nicht hintergangen, wenn ich so etwas schreibe. Ich möchte mich auch erklären.
Ich rühme mich für gewöhnlich damit, keine halben Sachen zu machen. Wenn ich etwas anpacke und beginne, dann möchte ich es auch mit guten Gewissen und vollem Glauben durchziehen - oder eben gar nicht. Genauso gehe ich derzeitig auch an das Schreiben und an das Marketing zu Kernstaub an. In dieser Manier betreibe ich meine Facebook-Seite zum Roman und meine Kommunikation mit den lieben Lesern.
Allerdings hat diese Strategie den grundlegenden Plan, dass ich bereits zu Beginn des Projektes einen entscheidenden Fehler gemacht habe: Ich habe mir kein Ziel gesetzt. Ich habe einfach alles "mal eben so gemacht" und das kommt mir nun, über ein Jahr später, teuer zu stehen.
Ich wollte Kernstaub überhaupt nicht veröffentlichen. Einige haben die Geschichte ja verfolgt. Ich hatte den Roman zuvor ewig lange in einem Forum veröffentlicht - Kapitelweise, bis irgendwann das Interesse daran einschlief. (Das hätte mir ein erstes Warnzeichen sein sollen, schätze ich.) Ich ließ mich davon aber nicht weiter beirren und schrieb ihn zu Ende. Immerhin habe ich 7 beendete Romane in meinen digitalen Schubladen schlummern, die nie jemand außer mir gesehen hat. Das war ich also gewohnt.
Da es einige Freunde, Bekannte und auch Leser aus besagtem Forum gab, die den Roman gern lesen wollten, hatte ich ihn am 24.12.2013 als kleines Weihnachtsgeschenk kostenlos auf Dropbox hochgeladen, damit ihn einfach alle, die ihn lesen wollten, problemlos herunterladen könnten. Und dort bleib er auch 5 Monate lang, der Link für alle öffentlich über Facebook aufruf- und teilbar.
Da einige Leser Probleme hatten, den Roman auf ihren Reader oder ihre mobilen Endgeräte zu laden, dachte ich mir im Mai 2014: Warum nicht? Und stellte den Roman in einer Nacht- und Nebelaktion bei Amazon ein. Meine Idee dahinter: "Jeder, der den Roman möchte, kann ihn ja kostenlos von mir bekommen. Und wer zu faul ist, ihn sich umständlich auf Reader oder Handy zu laden, bezahlt eben die 99 Cent bei Amazon und hat ihn dann mit einem Klick." So oft es mir KDP Select erlaubte, bot ich den Roman kostenlos an. Als ich dann sicher war, dass alle Freunde und Bekannten "versorgt" waren, hob ich den Preis an. Nicht, um mehr Geld zu verdienen, sondern weil ich dachte: "Für 99 Cent ist der Roman so schnell heruntergeladen und ich will nicht, dass er auf 100 Readern verstaubt. Bei 2,99 denkt man beim Kauf schon eher darüber nach und liest ihn vielleicht eher." Und so kam der höhere Preis zustande.
Wie es eben bei Lesern so ist - die Facebook-Seite wuchs und wuchs auch aus unerklärlichen Gründen immer weiter - wollten viele auch ein gedrucktes Buch. Eben weil sie keinen Reader hatten oder es gern im Regal stehen haben wollten. So arbeitete ich also, für die Leser, daran, ein gedrucktes Buch auch den Markt zu bringen. Auch wenn es mit dem Preis von 19 Euro längst nicht konkurrenzfähig war, wollte ich den Leuten die Möglichkeit bieten, Kernstaub auch auf diese Weise lesen und besitzen zu können.
Die Facebook-Seite wuchs und wuchs. Ich dachte mir tolle Aktionen und Gewinnspiele aus, weil ich so froh darüber war - und bin -, dass sich eine so große Gruppe an Bekannten, Freunden und auch vielen Unbekannten gesammelt hatte, um sich in die Welt von Kernstaub einsaugen zu lassen, das System zu erkunden und die Reihe zu verfolgen. Eine meiner liebsten Aktionen war der Weltasche-Blog, den ich vorher groß bei Facebook und überall sonst angekündigt hatte. Er sollte Lesern von Kernstaub die exklusive Möglichkeit geben, direkt in den zweiten Teil einzusteigen, um nicht mehr so lange auf das E-Book warten zu müssen.
Vor einigen Tagen habe ich mich schweren Herzens dazu entschieden, den Blog einzustellen, weil die erwarteten Interaktionen zwischen den Lesern nicht zustande gekommen sind. In real weiß ich nicht, wie viele Leser den Blog verfolgt haben, aber ich selbst weiß nur von 2 bis 3. Und es war ein tiefer Cut, mir eingestehen zu müssen, dass das Projekt schiefgelaufen war.
Was hatte ich falsch gemacht? Klar, es kann nicht immer alles glücken, was man sich vornimmt. Es gibt Menschen, die härter als ich arbeiten und weniger erreichen, das ist mir klar. Aber das Eingeständnis, dass der Weltasche-Blog gescheitert war, geht für mich viel weiter als dieses eine Projekt, das nicht geklappt hat. Es umfasst alles, was ich jemals dachte, zu erreichen.
Und das ist der Punkt: Was wollte ich erreichen? Ich habe keine Ahnung. Kernstaub zu veröffentlichen war ein unüberlegter Schnellschuss, auf den ich euphorisch aufgebaut habe. Aber ich hatte nie ein Ziel dafür. Warum tue ich das? Warum veröffentliche ich? Ich weiß es nicht.
Ich besitze nicht den Mut (und nicht die finanziellen Mittel), um mich von allem loszulösen und zu sagen: Ich mache mich selbstständig, denn ich möchte mit dem Schreiben mein Geld verdienen. Dazu bin ich zu feige und meine Texte zu speziell und mein Marketing zu schlecht. (Ja, ich musste einsehen, dass ich besser darin bin, mich selbst zu vermarkten als meine Bücher.) Ich habe auch nie die Ambition gehabt, einmal einem Verlag zu schreiben - aus denselben zuletzt genannten Gründen. Ich hatte auch nie das Ziel, einmal ein erfolgreicher Selfpublisher zu sein, denn dafür müsste alles an meinen Texten anders aufgebaut sein. Ich wollte gar nichts. Ich wollte meinen Text an Freunde und Bekannte und irgendwie an die Welt hinaustragen. Und das wars.
Fassen wir also zusammen: Ich hatte kein Ziel und hab trotzdem alles an Energie in diese Sache hineingesteckt. In alles. Neben der Arbeit, Freunden und dem Schreiben gibt es für mich nur eins: Kommunikation. Vor allem mit Lesern und anderen Autoren. Und natürlich die Facebook-Page, in die ich jede freie Minute stecke. (Ob ihr es glaubt oder nicht, aber pro Post brauche ich für gewöhnlich schon 1 bis 2 Stunden. Manchmal länger.) Und für was? Ich kann nicht sagen, dass meine Strategie gescheitert ist, weil ich nie eine hatte.
Und ich habe alles an Energie reingesteckt. Wieder und wieder und wieder. Wie ein Schwimmer, der sich immer wieder sagt "Einen Zug kann ich noch. Einen kann ich noch. Und noch einen. Und noch einen. Und noch ..." Bis er wirklich nicht mehr kann. Bis er innehält, sich umschaut und erkennt, dass er auf's offene Meer geschwommen ist und es gar keinen Platz gibt, den er erreichen kann.
Was soll ich tun? Umkehren? Aber da warten so viele Leute am Strand, die mich schon so lange anfeuern und an mich glauben. Einige von ihnen haben mir sogar Schwimmflügel, Rettungsring und Schwimmflossen gebastelt. Ich kann sie unmöglich enttäuschen. (Ich weiß, in dieser Metapher ist gerade eine ganze Menge los. Ihr wisst, was ich meine.)
Aber wenn ich nicht umkehre, was mache ich dann?
Ich sehe andere Autoren einen Erfolg nach dem anderen erreichen. Wieder ein Buch beendet. Anfragen von 3 Verlagen für den neuen Roman bekommen. Das erste Mal ein Buch im stationären Buchhandel. Band 2 der Reihe bricht bereits zum Vorverkauf alle Rekorde. Selfpublisher endlich bei einem großen Verlag untergekommen. Und so weiter.
Sie alle schwimmen praktisch parallel zu mir und erreichen nach und nach ihre kleinen Inseln im Meer. Und ich freue mich tierisch für diese Menschen. Ganz ehrlich. Ich kann mir vorstellen, wie aufgeregt sie sich fühlen müssen und bin ganz insgeheim ein bisschen neidisch auf dieses unersetzbar tolle Gefühl. Gleichzeitig sehe ich mich nie in ihrer Position. Nicht, weil ich keine Hoffnung habe, jemals so weit zu kommen, sondern einfach, weil ich fest davon überzeugt bin, dass es nie so sein wird.
Ich bin ehrlich zu mir und das kann mir niemand ausreden. Um einmal erfolgreich zu sein, stimmt einfach zu vieles nicht. Kernstaub stimmt nicht. Es passt nicht. Ich passe nicht. Mein ganzes Konzept passt nicht. Dabei kann ich es natürlich schon als Erfolg verbuchen, was ich bisher erreicht habe! Immerhin hat Kernstaub schon viele Menschen erreicht und ich habe unendlich viele tolle Leute durch das Buch kennengelernt, deren Bekanntschaft ich heute nicht mehr missen möchte. Ich habe eine tolle und aktive Facebook-Seite, die viele Menschen erreicht und an der sich sehr viele Leser und Freunde voller Elan und Begeisterung beteiligen. Und ich bin dankbar dafür. Für jeden einzelnen Kommentar, für jedes einzelne liebe Wort.
Aber das Scheitern des Blogs hat mir vor Augen geführt, was ich lange nicht gesehen habe. Ich habe es oben schon erwähnt: Ich bin scheinbar besser darin, mich selbst zu vermarkten, als meine Bücher. Viele Freunde, Bekannte und Fans auf Facebook sind fleißig dabei, mit mir zu Interagieren und sich zu beteiligen und ihre Inspirationen und Gedanken zu teilen (auch Kernstaub-bezogen), aber nur die wenigsten haben den Roman tatsächlich gelesen. Oder auch nur den Plan, ihn zu lesen. Und das kann ich niemandem vorhalten - aber es ist ein Dilemma für mich.
Es macht mir Angst. Ich weiß, dass es immer eine handvoll Menschen geben wird, die immer zu mir halten und die alles praktisch verschlingen, was ich ihnen zu lesen gebe. Aber es macht mir Angst, wie viel Geld und Zeit ich in etwas stecke, das keinem Plan folgt und daher genauso planlos ist. Es ist, als würde ich Sand sammeln wollen, aber das einzige Behältnis, das ich zum Transport habe, ist ein Sieb. Genauso fühle ich mich. Als würde ich so unendlich viel Zeit und Energie in etwas stecken, das ich liebe, das mich am Ende aber nur kaputt macht.
Denn ja: Ich liebe es, zu schreiben und meine Texte in die Welt hinauszutragen. Ich liebe es, mich mit Lesern, Freuden und Fans online über meine Werke auszutauschen, Inspirationen mit ihnen zu teilen und von ihnen zu bekommen. Ich liebe es, wenn sich Menschen tatsächlich die Mühe machen, sich künstlerisch zu meinen Texten zu betätigen und weine regelmäßig, wenn sie mir tolle FanArts schicken - das berührt mich so sehr!
Aber ich habe keine Energie mehr. Keine Energie mehr, Tag für Tag für Tag auf ein Ziel zuzusteuern, das ich nicht kenne. Zug um Zug um Zug weiterzumachen, ohne wirklich einen Punkt zu haben, an den ich kommen möchte. Und ja: Ich habe keine Energie, jede einzelne freie Minute meiner Zeit in diese Kommunikation zu stecken, wenn es damit endet, dass nur 3 Menschen meinen Text lesen. Denn darum geht es am Ende ja irgendwie. Meine Worte mit der Welt zu teilen, ob nun bezahlt oder kostenlos oder wie auch immer. Aber egal wie, sie scheint sie nicht zu wollen. Nicht so richtig.
Ich habe Angst. Ich habe Angst, dass alles, was ich im letzten Jahr an Zeit in all meine Kommunikationsprojekte gesteckt habe, umsonst war. Weil mir schleichend klar wird, dass ich total hilflos auf der Stelle schwimme und versuche, gegen Wellen anzukämpfen, die nicht zu bezwingen sind. Weil ich bereits 7 Romane beendet habe, ohne sie je jemandem zu zeigen, und damit weitaus glücklicher bin als mit Kernstaub, weil ich wegen ihnen nie vor Verzweiflung geweint habe.
Es kann nicht so bleiben, wie es ist. Ich kann nicht monatlich mehrere hundert Euro und mehrere Tage Zeit in etwas stecken, das zur Folge rund ein verkauftes Buch pro Woche hat. Ich liebe das alles, aber ich habe einfach keine Kraft mehr, das noch länger durchzuziehen. Ich will es aber auch nicht auf Sparflamme weiterlaufen lassen oder eindämpfen - dazu bedeutet es mir zu viel. Höhere Ziele kann ich mir wiederum auch nicht setzen, weil jetzt bereits alles an Leidenschaft und Energie hineinfließt, was ich irgendwie noch aufbringen kann.
Vielleicht ist das einfach nicht genug.
Wahrscheinlich sind weder meine Bemühungen, noch meine Texte noch ich jemals genug.
Warum mache ich immer alles falsch, das ich liebe? Und wer bin ich, in dieser großen Welt? Auf diesem großen Meer, in dem scheinbar jeder weiß, wohin er will, während ich voller Leidenschaft aber ziellos herumirre?
Was tue ich jetzt? Umkehren und alles abbrechen, was ich mir aufgebaut habe? Weiter auf der Stelle schwimmen und abwarten, bis meine Energie verbraucht ist? Oder ziellos weitermachen und irgendwann ertrinken?